Schreiben ≠ schreiben

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Als Kind zeichnete ich sehr gern und war einigermaßen talentiert. Hin und wieder konnte ich mit meinen Bildern sogar kleinere Wettbewerbe gewinnen. Dennoch würde ich heute niemals behaupten, Illustratorin zu sein. Ich bin auch eine gute Schwimmerin und ergatterte in meiner Jugend Medaillen. Trotzdem bin ich weit davon entfernt, bei Profi-Wettkämpfen teilnehmen zu können. Ich habe auch meine Lampen in der Wohnung selbst installiert. Bin ich deshalb jetzt Elektrikerin?

Mittlerweile ist glaube ich klar, worauf ich hinaus möchte: Nur weil ich früher in etwas gut war, etwas hin und wieder gerne oder hobbymäßig betreibe, bin ich darin noch lange kein Profi. Natürlich bringe ich mit der Leidenschaft schon eine Voraussetzung mit, um es einmal professionell auszuüben, aber was fehlt, ist das Fundament. Und das wiederum besteht aus jahrelanger Übung, Training und Aus- bzw. Weiterbildung.

Genau so ist das auch beim Schreiben. Auch ich habe während meiner Schulzeit gerne geschrieben und gute Noten in Deutsch bekommen. So wie so viele andere Schüler*innen. Aber die Gedichtinterpretationen, Aufsätze und Erörterungen haben mit dem professionellen Schreiben nichts zu tun. Wenn mich das Installieren meiner Lampen nicht zur Elektrikerin macht, so macht mich der Einser bei der Deutsch-Matura auch nicht zur Texterin.

Was macht mich zur Texterin?

Ein*e Texter*in besitzt das Talent, sich in verschiedene Zielgruppen einzufühlen und Texte an diese zu adressieren sowie sich zwischen den unterschiedlichen Textsorten und ihrer Sprache sowie ihrem Aufbau zu bewegen. Denn ein Beitrag in einem Newsletter muss anders klingen als der Slogan auf einem Plakat. Und auch das Unternehmen, für das der jeweilige Text entsteht, hat Einfluss darauf – und dabei geht es nicht nur um die Branche, sondern auch um die Firmenphilosophie und die Corporate Language.

Und schließlich gibt es dann noch das Handwerkszeug, das eigentliche Schreiben und der Aufbau von Texten. Formeln, die ein*e professionelle*r Texter*in aus dem FF beherrscht und im besten Fall durch ein Studium, eine Aus- oder Weiterbildung UND viel Praxis gelernt hat.

Hinzu kommen noch einige persönliche Eigenschaften, die als Schreibende*r unerlässlich sind:

  • Genauigkeit: Nicht nur bei Rechtschreibung und Grammatik, sondern auch bei der Recherche.
  • Neugier: Die Bereitschaft, überall eine Geschichte zu finden und etwas daraus zu machen.
  • Kreativität: Ganz gleich, wie das Thema lautet, ist ein*e Texter*in fähig, eine Geschichte zu erzählen und etwas darin zu finden, das auch die Leserschaft interessiert.
  • Offenheit: Die besten Geschichten erzählen Menschen persönlich. Das bedeutet, dass man sich mit diesen Personen trifft oder – wenn nicht anders möglich – einen Video-Call organisiert.
  • Verschwiegenheit: Im persönlichen Gespräch offenbaren Menschen oft Dinge, die sie niemals niederschreiben würden. Es ist selbstverständlich, dass diese Dinge niemals weitersickern dürfen und auch alle Notizen dazu nach Veröffentlichung des Textes vernichtet werden müssen.
  • Dickes Fell: Feedback auf den eigenen Text zu bekommen ist immer unangenehm – ganz egal, wie lange man diesen Beruf schon ausübt. Aber es gehört dazu. Und viele Menschen haben leider nie gelernt, wie konstruktives Feedback aussieht (aber das ist ein anderes Thema).

Warum schreibe ich das?

Ich habe im Laufe meiner Karriere von vielen Seiten Dinge gehört, wie „Ich war immer gut in Deutsch, ich kann das selbst schreiben“ oder „Dafür brauchen wir keine Texterin“, weil vielen Menschen gar nicht bewusst ist, was es bedeutet, einen fundierten, professionellen Text zu schreiben. Und mit ChatGPT und wie sie alle heißen wird es nicht unbedingt leichter. Aber vielleicht erkennen diese Menschen irgendwann einmal den Wert eines guten Textes, wenn sie nur noch von langweiligen, schlecht recherchierten oder schlichtweg schlechten Texten umgeben sind.

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